Drabbles - Schlagwortgeschichten

Farbenmeer

Sie leben während sie sterben. So wie wir. Mit jedem Tag, ja jeder Minute gar, kommen sie dem Ende näher. Sie wandeln sich im Sein, wachsen, entwickeln sich weiter, werden bunt. Sie bilden ein Meer aus Farben, doch wissen sie nichts davon, nichts von ihrer Schönheit und Pracht die sie zusammen ausstrahlen. Sie ahnen nicht wie glücklich sie uns machen und fallen im taumelnden Tanz des Lebens zu uns herab. Wo wir sie quietschvergnügt gen Himmel werfen, in ihrem Rascheln baden und sie bald auf Haufen kehren. Bis auch wir nur noch Häufchen sind und das Blatt sich erneut wendet. (10-2020)

Fantasie

Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, da ein kleines Mädchen den Kopf voll bunter Knete und abenteuerlicher Geschichten trug. Jede Minute nutzte sie, um andere mit in die wundervolle Welt jenseits von Verantwortung und Pflicht zu nehmen. In ein Land der endlosen Möglichkeiten ... wo sie lachen, erobern und Schurken besiegen konnten. Irgendwann jedoch, beinahe schleichend, hatte keiner mehr ein Ohr für sie. Sie sollte vernünftig und erwachsen werden.
Mit verschnürtem Herzen suchte sie erfolglos ihren Platz in der Welt. Erst Jahrzehnte später erkannte sie durch die Augen ihrer Kinder, wie wertvoll das Licht ihrer Gabe wirklich war. (09-2020)

Rücksicht

Weder beruflich noch privat bekam er seinen Fuß auf den Boden. Die Welt schien unter ihm zusammenzubrechen und er wusste sich keinen Rat. Er versuchte, den Kopf freizubekommen, und radelte aufs Land hinaus. Doch selbst durch das schönste Panorama hindurch grienten ihn seine Sorgen hartnäckig an. Es half nichts, er musste sich aktiv mit ihnen auseinandersetzen. Er würde mit jemandem reden müssen, um die Gedankenspirale durch eine neue Perspektive zu unterbrechen. Kaum zurück, rief er sofort seinen größten Vertrauten, seinen besten Freund an.
"Hey John, bevor ich weiterrede, sei ganz ehrlich: Hast du im Moment seelische Kapazitäten für meine Probleme?" (08-2020)

Lust

Deine Nähe weckt ein unbändiges Verlangen in mir. Wenn du ihn so in deiner Hand hältst, fließen alle meine Lebenssäfte. Mein Herz tobt bis in die begehrlich bebende Brust. Ich seufze leise, dein Blick legt sich auf mich. Innig und tief pocht meine Gier, dir nah zu sein. Ich lecke über meine Lippen, möchte Worte mit harten Konsonanten raunen, beiße mir auf die Unterlippe.

Oh Gott. Ich will, ich will, ich will. Mich in glühender Begierde über dich beugen, ihn dir aus der Hand nehmen, mit meiner Zunge sanft darüber gleiten und diesen Donut ganz langsam zwischen meine Lippen schieben. (07-2020)

Sinn

Bevor sie stufenweise an ihr Erbe kamen, musste jeder, alle 5 Jahre,  3 Fragen beantworten:
"Ihr könnt alles sein, doch versucht ihr es nicht. Ihr könnt alles haben, doch braucht ihr es nicht. Ihr könnt überall hin, doch geht ihr nicht los. Komfortzone und Auswahl sind schlichtweg zu groß. Ihr scheut Veränderung, arbeitet vor euch hin, sucht im Außen, in Religion oder Politik euren Sinn.
Beobachtet euch selbst, vertraut eurem Gespür, was euch ausmacht, wisst nur ihr. Geht kleine Schritte, aber geht. Der Tod kommt näher, seht zu, dass ihr lebt. 
Fragt euch darum:
1. Was kann ich? - 2. Was will ich? - 3. Und warum?" (07-2020)

Miteinander

"Du mochtest ihn, bevor du wusstest, dass wir verliebt sind."
"Ich hasse ihn!" *stampft auf den Boden*
"Du hasst ihn nur, weil er der Erste nach deinem Papa ist."
"Na und!?" *dreht sich weinend weg*
"Engel, du musst ihn weder mögen, noch Zeit mit ihm verbringen. Alles worum ich dich bitte, ist, mich nicht zu hassen, nur weil ich anderer Meinung bin."
"Aber ich will das nicht!"
"Ich weiß und es tut mir leid, dass es so schwer für dich ist. Wann immer du reden, kuscheln oder schimpfen magst ... ich bin da, mein Herz!"
"Versprochen?"
"Versprochen!"
*öffnet schluchzend beide Arme*

(06-2020)

Sicherheit

"Woher weiß ich, dass es sicher ist?"
"Weißt du nicht."
"Aber ich brauche doch Sicherheiten!"
"Sicherheiten sind Konzepte, mit denen wir die Welt in einen schönen Schein kleiden … um ein Gefühl von Kontrolle zu erhalten und zur Ruhe zu kommen. Wir sollten aber nie vergessen, dass wir auf dem Rücken eines Tigers träumen."
"Das heißt, es kann sich alles jederzeit ändern?"
"Vom leisen Stolpern bis zur kompletten Umwälzung."
"Und es gibt keine Sicherheiten?"
"Nur eine die wirklich zählt."
"Welche?"

"Vertrauen in dich. Darin, dass alles gut wird, weil du stark genug sein kannst, um mit unsicheren Situationen umzugehen.
Investiere darin." (05-2020)

Ruhe

"Die Ruhe lauscht dem Herzen", antwortete die ältere Dame auf der Parkbank und streichelte die Taube neben ihrem Schoß. Tom runzelte die Stirn. Sie hatten gesagt: Geh zur Taubenfrau, sie kennt alle Antworten. Versprochen hatten sie es ihm sogar. Doch er verstand kein Wort. Was hatte sein Herz mit seinen Jobsorgen zu tun? Und Ruhe, pah, das war das Einzige, was er nicht hatte. Seufzend starrte er auf seine Schuhe. Welche Zeitverschwendung. Als er den Blick wieder hob, war die Taubenfrau verschwunden. An ihrer Stelle lag ein Zettel auf der Bank.
'Niemand kennt alle Antworten, dein Herz aber kennt deine.' (05-2020)

spielen

"Wer Ostern mit den Eiern spielt, der tut es auch den Rest des Jahres. Spielen ist wichtig. Sein dürfen. Weniger muss. Mehr wollen", erklärte die Häsin.
"Man spielt nicht mit den Eiern. Was ist das überhaupt für eine Redensart? Niveaulos! Also ernsthaft!", schimpfte der Hase.
"Ach, ist das so?", hob sie ein Ohr empor. "Dann darf man wohl auch keine Sahne in den Kaffee gießen, stempeln oder bügeln?"
"Ich bitte dich, Liebling. Natürlich darf man das. Man sollte es sogar! Wer will schon zerknittert herumhüpfen?!", schnaufte er verständnislos.
"Oh, DAS will niemand! Da sind wir uns mal einig!", grinste sie. (04-2020)

Montagsliebe

Aus knallbunten Dschungelabenteuern mit wilden Tieren, reißenden Flüssen, rastlosen Forschern und ungewohnten Speisen atemlos ins Bett zu fallen und am nächsten Morgen an einem stillen Fleckchen von Vogelzwitschern zu erwachen ... geliebte Menschen ziehen beinahe lautlos vorüber und wünschen einen schönen Tag. Ich grinse. Die Sonne kitzelt meine Nase, der Himmel ist weit, ich springe aus meiner Hängematte, tanze zur Musik in meinem Kopf und renne mit offenen Haaren dem Tag entgegen. Das Herz pumpt voller Neugier und kreativer Kraft, lässt den Brotjob nach Nutellabrötchen schmecken und mich schließlich glücklich Wort für Wort durch andere Welten tauchen.
Montage. Magicdays mit Geheimtür. (04-2020)

Homies

Früher war zuhause da, wo man blöd sein konnte. Jetzt ist zuhause da, wo man blöderweise auch arbeiten muss. Das im Geist zu sortieren und blöd sein und blöd finden, zeitlich zu trennen, ist die Homie-Challenge 2020. Das Extralevel für alle mit Kind(ern), bei dem man zusätzlich in beiden Zeitzonen blödeln mussdarf, während man leckere Mahlzeiten zaubert, die Schulaufgabenabwicklung kontrolliert und sämtliche zuhause-ist-langweilig-blöd Anfälle einfühlsam darnieder streckt, gibt zwar kein Extraleben aber dient als grandioses warm-up für den Endgegner in Form einer verstopften Toilette inklusive Internetausfall bei Ausgangssperre. Gewonnen hat wer liebevoll blöd miteinander bleibt. Zuhause. (03-2020)

Inspiration

Im Winter entdeckte der Poet einen Baum und mit ihm einen saftigen Apfeltraum. Jeden Tag sah er zu wie alles reifte und gedieh, und schrieb unter honigsüßen Blüten Gedichte wie nie. Immer stärker pulsierte das Begehren, immer schneller schrieb sein Stift, voll Lust und Energie schwoll seine Brust. Bis im Schatten der üppigen Krone jede Zelle vibrierte vor Gier. Triebig pochend, verlangend nach ihr, ihrem Saft, ihrem Fleische und ihrer Wucht, ergriff er lüstern zitternd die Frucht. Zuckend eruptierte jene Fantasie - zerfloss in Ekstase und Poesie.
Er saß noch einige Tage schwelgend und heiter, dann aber zog er neugierig weiter. (02-2020)

Lieblingsgefühl

Es erweckt meine Schubkraft in einer Dimension, die mich demütig erzittern lässt. Mit einem Mal fühle ich Vertrauen, Selbstliebe und Wärme in mir, für die ich mir manchmal zu klein vorkomme. Wie ein Quell nicht enden wollender Hingabe und pulsierender Lebenslust. Und ich ahne, dass dies nur der Auftakt der Wunder in mir ist, denn ich spüre Farben in mir anschwellen, die mir fremder nicht sein könnten und mir doch so innig vertraut sind, wie der Duft meiner Haut. Energie, die nicht mehr verhallt im Geben, sondern in ihrer Resonanz mein Herz kraftvoller schlagen lässt.
Ich bin ich im Werden. (01-2020)

Energie

Silvester. Mark hatte sich darauf gefreut. Es war ein gutes Jahr. So alles in allem. Grund zu feiern! Doch da standen sie. „Jedes Jahr wird alles teurer. Strom, Öl, Steuern ... dem kleinen Mann bleibt nichts.“ Stets sickerten die bleiernen Worte in ihn bis er nickte, sein Blick matt wurde und sich im Whisky verlor, den er lustlos durchs Glas schwenkte. Dann betrat jemand voller Licht, Eleganz und Ruhe den Raum. Schritt charmant lächelnd durch die Menge, plaudernd, in sich ruhend, ohne die fremden Energien in sich aufzunehmen. Und versprühte Funken von Glückseligkeit, die andere inspirierten. Dieses Jahr war Mark das. (01-2020)

Respekt

Angewidert nahm er den schwärmerischen Handschlag des Abgeordneten entgegen. Kein Rückgrat der Mann, dachte er und wandte sich seinem Sekretär zu, der ihn im Gehen zum nächsten Tagesordnungspunkt briefte. Mit festem Schritt eilten sie eine steile Treppe hinauf, vorbei an einer Frau, die gekrümmt auf der obersten Stufe hockte. Sein Sekretär stoppte, erkundigte sich nach ihrem Wohl und rief ihr einen Arzt. Dann sprach er mit erhobenem Haupt und festem Blick: „Entschuldigen Sie, Sir. Bitte weiter.“ Fassungslos starrte er seinen Assistenten an. Er hatte seinen Flow unterbrochen und den Zeitplan gefährdet, für eine Farbige. Stolz schüttelte er ihm die Hand. (12-2019)

Hingabe

Sich ihm gänzlich hingeben, ihm vertrauen und den Mut finden, vollkommen sie selbst zu sein, ganz gleich was er tat oder anzubieten hatte. Aus ihrem Herzen heraus authentisch, innig und frei lieben, ihn und vor allem sich selbst, und das Beste aus sich herausholen, gemeinsam. Konnte sie das? Konnte sie zulassen, dass sie offen und verwundbar wie eine Blume aus ihm erwuchs? Dankbar und leuchtend gar? Ein warmklares, sattes Ja rollte aus ihrer Seele. Füllte ihr Herz bis über den Rand. Ja. So sehr Ja! Sie wollte sich ihm hingeben, mit jeder Faser.

Dem Tag. Jedem. Ihr wundervolles Leben lang. (11-2019)

Ehrlichkeit

„Aber niemand wird mich mehr mögen“, wimmerte der kleine Mäuserich mit zittriger Stimme. „Ach, so ein Unsinn“, murmelte sein Vater. „Kann ich es nicht einfach für mich behalten, bitte?“ „Wozu? Nur die Feigen lügen oder schweigen“, antwortete er streng. „Und die fette Ratte, hm? Soll ich der etwa auch die Wahrheit sagen?“ „Na unbedingt, Schatz. Gerade der!“
„Aber ich singe Musicals, Papa. Musicals! Sie wird mich auslachen!! Sie werden mich alle auslachen!“ „Das wage ich zu bezweifeln“, lächelte der Mäusevater wissend. „Wieso???“ „Wenn du älter bist, wirst du es verstehen ... bei den Damen.“ Zärtlich stupste er ihn. „Vertraue deiner Leidenschaft.“ (11-2019)

Seelenheim

Jede Minute die verstrich und weitere Kilometer zwischen sie schob, machte es unerträglicher. Wie konnte ihr ein Ort, an dem sie nie zuvor gewesen, trotz Nebel und Regen, derart das Herz erwärmen? Wie konnte er ihr nur so nahe gehen? Sie kannte ihn ja kaum. Und doch zerriss ihr beinahe das Herz, als sie ihn verließ. So sehr hielt es an ihm fest. Es litt und krampfte bis in den Bauch, nur verstehen konnte sie es nicht. Ihre Seele hingegen wusste es besser und ließ einen Teil von ihr bei ihm - der zweiten Hälfte einer Kugel, die ihr Zuhause war. (10-2019)

Entspannung

Sie braucht weder Schiff noch Flugzeug, kein Auto und auch nicht die Bahn. Sie betritt diese Insel so glückselig, wie ein Mensch sich nur fühlen kann. Ihr Haar wild offen, geflochten dazu. Die Augen geöffnet, die Lider längst zu. Sie schweigt und sie singt, sie rennt und sie liegt. Macht einzig das, was sie innig liebt. In genau ihrem Tempo, in exakt ihrem Style. Gönnt sich die Auszeit, hier ist sie frei. Ohne Handy und ohne Muss. Voller Hingabe und purem Genuss. Für nichts und für Niemand gäbe sie das jemals fort.

Die Inseln des Alltags sind ihr magischer Ort. (10-2019)

Liebe

„Manchmal, Finchen, macht man sich zum Narren, manchmal wird man enttäuscht, denn manchmal ist alles nur eine Illusion. Dann bleibt nach dem Rausch nicht viel. Doch irgendwann ist es genau das, was es scheint - wahre Liebe. Jene volle Wärme, die euch übers Verliebtsein hinausträgt. Die, für die man kämpft. Die immer bleibt, bis über den Tod hinaus. Aber ob es das eine oder das andere ist, wirst du nur erfahren, wenn du dich öffnest. Die Angst vor dem, was Liebe mit sich bringt, darf dich nicht verschließen vor der Liebe an sich. Genieße den Weg und höre auf dein Herz.“ (10-2019)

Erotik

Im Duschnebel sah er sie. Wie eine Amazone unter einem Wasserfall, versunken in sich und ihrem Begehren. Wassertropfen glitzerten in Nahaufnahme über
ihre zarte Haut. Sie massierte ihre eingeseifte Brust, derweil ihr Unterarm zwischen Bauch und Innenschenkel presste. Auf einem anderen Bild packte sie ihren feucht glänzenden Po. Mit offenem Mund stierte er auf die Fotos, die nichts zeigten und doch alles. Seine Begierde pulsierte machtvoll. Er hatte Mühe Realität und Wunschdenken zu trennen, denn er stand nicht in ihrem Bad, wo sie nass und nackt auf ihn zugehen würde, um vor ihm niederzuknien. Er saß auf Arbeit, im Büro. (09-2019)

Gesunder Egoismus

Sie brauchte den zusätzlichen Job. Beinahe hätte sie die Hoffnung schon aufgegeben, etwas neben ihrer Arbeit und der wertvollen Zeit mit ihrem kleinen Sohn zu finden. Dieser Job war ein Segen! Dennoch zerrte er an ihr. Die Projekte türmten sich auf ihrem Schreibtisch. Sie wühlte sich durch die Aufgaben, wie eine Schiffbrüchige durchs eisig tosende Meer. Nachts wachte sie schweißdurchtränkt auf. Bis ein Extraprojekt sie wie ein Haifisch zu zerreißen drohte. Mutig holte sie Luft und rief: „Stopp!! Ich komme zu allem nur halb. Kann ich BITTE erstmal was fertig machen!?“ Ihr Chef sah sie erschrocken an. Nickte. „Aber natürlich!“ (09-2019)

Sehnsucht

Hauptbahnhof. Menschen eilen vorüber, doch sie steht einfach nur da. Ihr Blick fällt auf die Anzeige. Gleich ist er hier. Eine aufflammende Energie ergreift sie, wie all die Male zuvor. Sie schwämmt ihren Brustkorb - ein Fluß aus tiefen Seufzern. Wie sollte ihr kleines Herz so viel Volumen aufnehmen? Wohin mit dem wohligen Pochen in ihrem Schoß und ihren Fingerspitzen? Das eine heiß, das andere kalt. Satte Atemzüge laufen auf Ameisenfüßchen an ihrer Seele entlang. Ihr Puls trommelt bis in den Hals, ihre Zehen wackeln vor Glück. Bremsen quietschen, Türen öffnen sich. Sie steigt in den Zug, endlich dem Leben entgegen. (09-2019 by C&J)

Diskretion

Endlich Urlaub. Der Job brachte sie ans Limit. Ständig zerrte jemand an ihr. Selbst in ihrer Wohnung hatte sie das Gefühl, nicht allein zu sein. Doch ab morgen würden ihre Sinne nur noch vom Meeresrauschen umspült. Abgespannt stieg sie unter die Dusche, als ein unbestimmter Impuls sie unter dem laufenden Wasser hervorzerrte. Tropfnass spähte sie um die Ecke und erblickte mehrere huschende Schatten. Sie WAR nicht allein. Wutentbrannt schoß sie heraus und die Eindringlinge schauten sich genervt an. Drei vermaßen weiter, Eine erläuterte: „Weltweit werden verwaiste Wohnungen vorübergehend für informelle Elite-Treffen umfunktioniert. Das läuft hier mit oder ohne Ihrem Einverständnis.“ (08-2019)

Wahrheit

Unfassbar wie sehr er sich vor diesem Moment fürchtete. Nächtelang hatte er nicht schlafen können, selbst essen war ihm unendlich schwergefallen. Wie schlimm musste es sein, wenn sie darüber nicht am Telefon mit ihm reden konnte? Er hatte sich alles Mögliche und Unmögliche ausgemalt und in Visionen gesuhlt, die minütlich düsterer wurden. Alles was je gut war, schien ihm dadurch zu entgleiten. Die Ahnungslosigkeit zermürbte ihn. Nicht zu wissen, wogegen er kämpfen musste. Kraftlos starrte er auf seine gefalteten Hände auf dem Tisch. Dann betrat seine Tochter endlich den Besuchsraum und deutete lächelnd auf die Wölbung unter ihrem geblümten Kleid. (08-2019)

Vertrauen

Er jagte durch den dichten Wald. Doch seine Flucht wurde durch eine breite, tödlich tiefe Schlucht gestoppt. Das Blut im Mund klebte. Sein Knie schrie auf. Keuchend rannte er am Abgrund entlang, suchend. Bis er Teile einer Seilbrücke erspähte. Eine alte, über Jahrzehnte verwitterte Hängebrücke mit weggebrochenen Bodenbrettern und maroden Seilen. Und auf der anderen Seite wartete die Freiheit. Er musste von dort nur die Seile durchtrennen und seinen Verfolgern den Weg abschneiden. Falls er lebend rüberkam. Er schluckte. Hinter sich hörte er die geifernde Meute näher kommen. Ihm blieben keine zwanzig Sekunden. Vertrauen oder Tod. Er hatte die Wahl. (08-2019)

Leidenschaft

Sie grub ihre Hände tief in die feuchte Masse. Langsam knetend beobachtete sie, wie die Flüssigkeit tiefer in den Klumpen drang, der unter ihren rhythmischen Bewegungen geschmeidiger wurde und bald weich zwischen ihren Fingern hervorquoll. Versonnen lächelnd formte sie einen mächtigen Ball und strich mit zärtlichem Druck über seine pralle Form. Wieder und wieder. Sie liebte es ... das Gefühl, die Intimität, den Geruch, die Ruhe. Und erst als er völlig fertig und glänzend vor ihr lag, schloss sie die Augen und steckte ihren bespritzten Zeigefinger in den Mund, lutschte ihn genüsslich ab und grinste zufrieden. Dieser Teig war ein Meisterwerk. (08-2019)

Druckversion | Sitemap
© Anke John | kontakt(at)ankejohn.de | Schön, dass ihr hier seid!